Ein dejavu.
„Dort ist Möllers Wäldchen!“
Man fährt mit dem Auto oder auch mit dem Fahrrad, von der Endstation der U7 in Enkheim aus kommend, auf der Leuchte in Richtung Osten. Übergangslos verschwinden beidseits der Straße die Wohngebäude und werden durch hohe Bäume ersetzt. Mitten in einer langgezogenen Kurve ducken sich die Bäume ab und man erblickt am Ende einer Lichtung: Waldesrand. Der Rand des Enkheimer Rieds.
Für einen Moment wird die Straße hier zu einem Deich und davor liegt „Möllers Wäldchen“.
Ein dejavu. Auf der ersten Seite jedes Asterixbandes wird das legendäre, wehrhafte, gallische Dorf gezeigt, welches sich nicht den Römern unterwirft. So erscheint im vormittaglich, sommerlichen Sonnenlicht die umzäunte Anlage des Kleingartenvereins „Möllers Wäldchen“.
Hans Lepschy, Vorstand und gleichzeitig das bekannteste Gesicht von „Möllers Wäldchen“, steht lächelnd auf dem Parkplatz vor seinem Auto und erwartet mich.
Gleich, am Eingang, drängeln sich die Mitglieder. Ihre Ziele sind gleich: ihr Garten!
Hans Lepschy steht sofort im Mittelpunkt. Nach einer Weile, Hans Lepschy kümmert sich um jeden und hat für jeden Zeit, zeigt er mir den ersten Garten. Seine Tochter, Elektrikerin, hat diesen gestaltet. Frischer Rasen, ein Hochbeet aus Paletten und nachts gibt es auf Wunsch einen indirekt beleuchteten Zugang zur Hütte.
Wenn Hans Lepschy und seine Frau älter werden und „nicht mehr so können“, dann will er mit seiner Tochter den Garten tauschen. Der sei etwas kleiner. Dann sagt er: „Ich höre nach 10-jähriger Vorstandsarbeit im nächsten Jahr auf.“
Frankfurt hat ein Moor.
Möllers Wäldchen liegt am Rand des Enkheimer Rieds, einen Altarm des Mains. Die ehemalige Moorlandschaft wurde in 1937 als Naturschutzgebiet ausgewiesen und ist heute Teil des Frankfurter GrünGürtels. Das Ried ist immer noch ein Feuchtgebiet.
Namensgeber für diese Kleigarten-Anlage waren die Eheleute Möller, die direkt neben dem Wasserwerk Enkheim wohnten. Herr Möller war der Wassermeister der damaligen Stadtwerke. Mitte des letzten Jahrhunderts wurde in Bergen-Enkheim ein Kleingärtnerverein gegründet, der aus drei Anlagen bestand. Darunter auch die Anlage Möllers Wäldchen. Mitte der 70iger Jahre wurde Bergen-Enkheim von Frankfurt im Zuge einer Verwaltungsreform eingemeindet. Kurz vor der Jahrtausendwende wurden die drei Anlagen selbständig und bildeten eigenständige Vereine: „Dorfelder Weg“, „Hinter der Burg“ und „Möllers Wäldchen“.
Wassernotstand.
Im April 2011 schloss „Hessenwasser“ seine Brunnen im Enkheimer Wald. Die Wasserbeschaffungsgesellschaft „Hessenwasser“ ist kommunales Eigentum von Frankfurt, Wiesbaden, Darmstadt, Kreis Gross-Gerau und weiteren Städten und Gemeinden und für die Trinkwasserversorgung von zwei Millionen Menschen im Ballungsraum Rhein-Main zuständig. Mit dieser Entscheidung, die den Kleingärtner nicht bekannt gemacht wurde, war die daran angeschlossene Kleingartenanlage trockengelegt. Die Kleingärtner bemerkten dies erst im Frühjahr als eigentlich das Wasser wieder fliessen sollte.
Hans Lepschy und sein Verein wurden aktiv. Ein Netzwerk der Öffentlichkeits- und der Lobbyarbeit wurde aktiviert. Das Ergebnis läßt sich auch heute noch sehen. Denn das Grünflächenamt unterstützte handfest die Kleingärtner und mit finanzieller Hilfe, floss, nach eineinhalbjähriger Verhandlungen das Wasser aus einem eigenen Brunnen für die Kleingärtner.
Wenn Hans Lepschy Im Brunnenhaus neben dem Kessel steht, strahlt er unwillkürlich. Auf diese Pumpenanlage ist er stolz.
Stromsperre.
Im August 2013 konnte Hans Lepschy und der Verein auf die Früchte der zurückliegenden Anstrengungen zurückgreifen. Denn diesmal drohte eine Stromsperre. Das ehemalige Gebäude des Wasserwerkes, an dem der Verein angeschlossen war, sollte abgerissen werden. Ein Neuanschluß lag in dunkler Zukunft, im noch nicht erschlossenen Neubaugebiet der Leuchte.
Wenn kein Strom fließt kann auch die Pumpe nicht arbeiten und damit hat der Verein einen Wassernotstand wie in 2011.
Vor und hinter den Kulissen arbeitete der Verein an einer Lösung dieses Problemes mit seinen Kontakten aus Politik, Verwaltung und …
Ergebnis: zuerst der Neuanschluß, dann das Abschalten.
Entspannung.
Bei soviel erlebter existientieller Bedrohung ist es selbstverständlich das die Mitglieder von „Möllers Wäldchen“ auch feiern, und das seit Jahren und intensiv, aber entspannt.
Ein kleiner Auszug aus dem aktuellen Veranstaltungskalender illustriert das bestens:
Winterwanderung, Wintergrillen, Heringsessen, Vatertag, Oldies im Kleingarten, Country-Rock-Abend, Kinderfest, Schelmfest, Sommerfest mit Apfelweinkönigin, Bockbieranstich, Oktoberfest, Kelterfest, Weihnachtsfeier und zum Jahresabschluss die Waldweihnacht der Kirche mit dem Posaunenchor. Dazu Live Musik wo es nur möglich ist.
Hans Lepschy ruft über den Zaun zu einem Spaziergänger, einem alten Bekannten: „Am Sonntag haben wir Oldies live im Kleingarten. Gell, du kommst auch!“
Haustier: Schlange.
Aber natürlich gibt es auch echte Weltprobleme: denn manchmal kann man Ringelnattern auf Zugangswegen beobachten. Das probate Hausmittel der ersten Wahl gegen den Besucher aus dem Ried ist der Kehrbesen. „Schlangen kann ich nicht anpacken, ich weiß dass sie nicht giftig sind, aber ich kann sie nicht anpacken“ sagt ein Kleingärtner und macht mit seinem Arm schlängelnde Bewegungen.
Zusätzlich zu den Gemüsebeeten gibt es liebevoll angelegte Kleingärten mit Tümpel mit Wasserrosen, obligatorischen Gartenzwergen und Aliens.
Spielende Kinder junger Familien bevölkern in steigender Zahl die Wege zwischen den Gärten: es gibt keine Nachwuchsprobleme.
Noch ein dejavu.
Zum Schluß noch ein dejavu. Auf der letzten Seite jedes Asterixbandes ist das Bild eines gemeinsamen Grillfestes mit einem gebändigten Troubadix und seiner Harfe zu sehen. Auf diesem Foto hier wird ein Beet begutachtet. In der Kleingartenanlage ist dieses Beet als „Bohnenharfe“ bekannt.
Ein Nachtrag darf nicht fehlen. Es ist der Kern der Kleingärtner:
Kleingärtner bedeutet „Familie, Freunde und ein Stück Land zum bearbeiten“.
P.S. Unter https://www.kgv-moellers-waeldchen.de ist noch mehr zu diesem Kleingärtnerverein KGV „Möllers Wäldchen“ Bergen-Enkheim 1950 e.V. zu finden.
P.P.S. Der Verein hat überzeugt: Hans hat verlängert; bis zur nächsten Jahreshauptversammlung.