KGV Enkheimer Wald im Seckbacher Ried

 

Eingang KGV-ENKHEIMER WALD e.V.
Eingang KGV-ENKHEIMER WALD e.V.

Der Kleingärtnerverein KGV Enkheimer Wald liegt mit seinen 2 1/2 Anlagen in einer für den Osten Frankfurt typischen Landschaft: am Rande des Seckbacher Ried.

Ried ist eine eher süddeutsche Bezeichnung für Landschaften deren Boden mit Wasser gesättigt ist. Umgangssprachlich nennt man ein solches Gebiet auch Moor. Zu bestimmten Jahreszeiten ist hier Nebel nichts ungewöhnliches. Zumal Frankfurt in einer Senke unterhalb des Taunus liegt und Nebel in Verbindung mit den häufigen Inversionswetterlagen auftritt. In dieser Landschaft hat der KGV-Enkheim seine zweieinhalb Anlagen. Jetzt ist der Moment gekommen in dem die Stimme ertönt:
„Hier spricht Edgar Wallace!“
Im dichten Nebel sich bewegende Schatten, fliegende Lichterquellen und aus dem Dunst des Nebels taucht ein Fahrradfahrer mit LED-Leuchte an seinem Helm auf. Die Schüsse entlarven sich als Fehlzündungen eines altersschwachen Trabi. Da ist nichts mit Sumpfgas und ähnlichem, wie etwa Moorleichen. Die Phantasie, die von den überhängenden Pappeln am Strassenrand angeregt wird, tritt zurück hinter den Radfahrer und bleibt in den grau-dunklen Nebelschwaben der Büsche und Bäume des Rieds.
Das ist Frankfurts Nebel im Moor, im Seckbacher Ried.

Oktober- oder Kelterfest? Erntedank.

Warum zwei und eine halbe Anlage? Dahinter steht eine über 80 Jahre alte Entwicklung. Diese wird später noch deutlich. Denn jetzt muss eine wesentliche Eigenheit dieses Kleingärtnervereins beschrieben werden. Als ich das letzte Mal den KGV-Enkheimer Wald besuchte, feierten die Kleingärtner gerade ihr Oktoberfest. Ein Oktoberfest mit allen „SchiSchi“: Dirndl, Lederhose, Tanz …
Man muss es erlebt haben; in einem vom Apfel geprägten Umfeld, in dem Kelterfeste die Normalität darstellen.
Beim Blättern in den Annalen der Vereinsgeschichte erfahre ich, dass dies auch schon vor über 30 Jahren so war. Zum Beispiel sorgte für die Unterhaltung zum 50-jährigen Vereinsjubiläum auch eine Egerländer Trachtengruppe. Und Egerland ist nun mal typisch bayrisch. Also eigentlich gehörte ein Teil von Egerland zu Oberfranken. Oder so ähnlich. Häufige Wechsel der Herrscher und damit verbundene Gebietsaufteilungen, von Barbarossa hin zu den Hohenzollern könnten den Erzähler konfus werden lassen. Da macht man es lieber wie die Eingeborenen und orientiert sich an einer bayrischen Konstanten: dem Reinheitsgebot des Bieres.

Leben
Leben

Wechselnde Gebietsaufteilungen kennt auch dieser Verein, zu seinem Leidwesen. Deshalb wurde auch vor 30 Jahren schon intensiv gefeiert. Zum 50-jährigen Jubiläum traten auf:
Frankfurter Musikverein von 1981
Gesangverein „Die Bergspatzen“
Trachtengruppe Egerländer
Imitator Rudi Graßegger
Humorist Manfred Haar
und zum Tanz spielte die Kapelle „Takanis“

Pinocchio auf dem Oktoberfest
Pinocchio auf dem Oktoberfest

Der Geschmack hat sich geändert. Dennoch bleibt wohlgefällige Unterhaltung angesagt. Standard ist derzeit elektronische Musik und Lightshow: bei älteren heißt das „Disco“. Und ab geht die Post! Mit Pinocchio auf der Bühne und seinem nicht jugendfreien Wunsch nach Bier, alkoholfrei natürlich.
Bei der Tischdekoration scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Das Gartengemüse ist echt und Bio. Kein Plastik und keine Genetik.

Dekoration
Dekoration

Auch hier sind die Wurzeln des Oktoberfestes erkennbar. Denn das „bajuwarische“ Oktoberfest ist unabhängig von den „Wiesn“ im Kern immer ein Erntedankfest geblieben.

Am Anfang.

Am Anfang sah alles ganz anders aus. Anfang 1932 wurde in den Frankfurter Zeitungen eine Anzeige mit folgenden Inhalt geschaltet. „An Kleingärten interessierte Bürger können sich an einen Herr Schütz wenden“.

Sehr viele Menschen waren in der damalige Weltwirtschaftskrise arbeitslos. Ein Kleingarten bedeutete deshalb eine wesentliche Verbesserung der persönlichen Lage. Diese Kleingärtenanlagen wurden auch als „Arbeitslosengärten“ bezeichnet.

Die Stadt Frankfurt stellte dem Verein ein Gelände zwischen Borsigallee, Enkheimer Wald, Erlenbruch und der Wächtersbacher Strasse zur Verfügung. Das Gelände wurde parzelliert und an ca. 620-650 Pächter übergeben (in 2016 sind es noch 132 Gärten). Die Stadt stellte jedem 2/3 des für den Bau einer Gartenlaube benötigten Holzes zur Verfügung. Der Rest musste in Eigenleistung erbracht werden. Die Stadtgruppe vergab ein Naturaldarlehen in Form von Büschen, Sträuchern und Gartenzaunmaterial. Die Fälligkeit des Darlehens betrug 10 Jahre. Die Höhe der Jahrespacht war 1 Pfennig je Quadratmeter.
Es wird erzählt, dass während der Kriegszeiten auf dem Gelände sogar eine Hasenfarm existierte.

Frankfurt wächst. Umbruch.

Im Bereich des Städtebaus sagt man das Gartenland in der Regel Bauerwartungsland sei. Diese konkrete Erfahrung machte der KGV-Enkheimer Wald Mitte der 50-iger Jahre.
Denn im Jahre 1955 wurden Teilstücke der Wächtersbacher und Teile des Teufelsbruchs seitens der Stadt aufgekündigt und für die Bebauung freigegeben. Der Verein erhielt im Gegenzug einen Abschnitt des Seckbacher Rieds als Ersatz.

Entwässerungsgraben
Entwässerungsgraben

Auf diesem Ried und Sumpfgelände entstand durch eigene Arbeitskraft die heutige Anlage „Gwinnerstraße“.
Die 70-iger Jahre waren geprägt durch die Installation von Trinkwasser und Elektro. Im Mai 1982 bzw. rechtzeitig zum 50-jährigen Jubiläum gingen in den Gartenlauben der Gwinnerstraße die „Lichter“ an.
Im Jahre 2010 war es wieder soweit. Die Stadt kaufte 24 von 46 Parzellen im Teufelsbruch (d.h. die halbe Anlage) dem Verein ab. Die Abrißbirne sollte 2012 kommen, aber stattdessen kam alles andere in den Überresten der Anlage. Fast wollte man sagen, dass dort eine freie Mülldeponie entstand. Aber es ist etwas anderes geplant: die Hälfte der dortigen Anlage fiel dem Projekt „Riederwaldtunnel“ zum Opfer. Zur Abrundung des Ganzen wurde auch gleich die Zufahrt mit abgeräumt. Die verbliebenen Kleingärtner können nur noch zu Fuß ihren Garten erreichen, bis heute.
Es liegt in der Natur der Sache, dass man jetzt nicht nur gut zu Fuß sondern darüber hinaus auch noch von entsprechend guter körperlicher Statur sein muss um dort einen Garten zu bewirtschaften.
Aber, der Tunnel ist bis jetzt noch nicht gebaut worden. Nach neuesten Gerüchten soll erst 2018 mit dem Bau begonnen und vielleicht 2022 oder auch 2025 fertig sein.
Zum Bauprojekt Riederwald ist wahrheitsgemäß zu berichten: die Planung begann 1963 als Teil der A66 (mit Berlin und seinen Flughafen, da kann Frankfurt mithalten).

Derzeit und auch weiterhin besteht der Kleingärtnerverein Enkheimer Wald aus drei Anlagen:
Gwinnerstrasse
Teufelsbruch (Borsigallee)
Neun Morgen (Am Erlenbruch)

Solidarität oder zip zap, hier ist die Happ.

Frau Happ ist die Vorsitzende der Ortsvereins Frankfurt Bornheim der Arbeiterwohlfahrt und auch Mitglied des KGV Enkheimer Wald. Mit ihrem Frauen-Club ist sie regelmäßig bei den Veranstaltungen des Vereins. Davon zeugt der Tisch-Aufsteller „Stammtisch Bernemer Runde“. Oder wie Ronald Cieslik (Vereinsvorsitzender ) sagt: Auf diese Frauen kann man sich verlassen. Das ist eine feste Bank. Zum Sommerfest mit jeder Menge selbst gebackenen Kuchen.“

Mit dem Garten hat sie schon viel erlebt. Sie hat den Garten schon seit 40 Jahren. Spontan fällt ihr ein Anruf ihres Sohnes ein: „Der Apfelbaum sei umgefallen.“ Darauf wurde aus dem einfachen Telefonat ein langer, intensiver, telefonischer Disput. Sie bestand darauf: „Der Ast ist abgebrochen!“ Ihr Sohn: „Nein, der Baum ist umgefallen!“ Es folgte eine befriedende Ortsbesichtigung mit dem Ergebnis: „Ein Fuchsbau!“
Frau Happ nimmt oft die Kinder ihres „Internationalen Kinderkeller“ mit in den Garten, zusammen mit ihren Eltern. Und die Kinder machen Entdeckungen: der Spinat ist nicht eckig und kartoniert. Und auch der Blumenkohl hat Blätter und einen Stiel.
Libellen haben große Augen. Vor kurzem hat sie einen schwarzgelben Salamander in ihrem Garten entdeckt. Der ließ sich hoch nehmen und in der Hand halten. Es war ein Feuersalamander. Er ist das Reptil des Jahres 2016. Besser bekannt als das Markenzeichen einer Schuhmarke: Lurchi. Jeder in der Anlage bekam ihn zu sehen.

Frau Happ wünscht sich auch etwas. Es wäre schön, seufzt sie, wenn benachbarte Vereine zusammen feiern würden. Das wäre einmal kostengünstiger und so ein Fest könnte attraktiver werden. Man könnte mehr anbieten und vielleicht, vielleicht kommen dann mehr Besucher. Dieser Wunsch betrifft nicht nur Gartenvereine.

Garten ist Lebensraum.

Garten als Lebensraum
Garten

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung hat sich auch der Charakter der Kleingärtenanlage geändert. Stand am Anfang die pure Notwendigkeit im Vordergrund so hatten die Pächter 50 Jahre später etwas andere Bedürfnisse. In der Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum (1982) werden unter der Überschrift „Kleingärten – zweites Zuhause im Grünen“ die neuen Motive erwähnt. Ein entscheidendes Motiv für die kleingärtnerische Nutzung eines Gartens ist die Freude am Gestalten. Als ein weiteres Motiv wird die Entlastung von einseitiger beruflicher Tätigkeit genannt. Dies hat zur Folge, dass sich auch die Vorstandsarbeit ändert:
„Man hat mittlerweile erkannt, daß allzu starke Reglementierung nicht nur in keiner Weise den Wünschen der Kleingärtner Rechnung trägt, sondern auch zu monotonen Kleingartenanlagen führt. Das private Wohlbefinden des Gartennutzers hat den gleichen Stellenwert wie ein richtig geschnittener Baum und ein sauber bestelltes Beet.
Die Erfahrung lehrt, daß auch hier der richtige Weg in der goldenen Mitte liegt: aus einer liberalen Gartenordnung kann sich am ehesten eine lebendige Gartenanlage entfalten. Und eine lebendige Kleingartenanlage ist mit Abstand der beste Beweis dafür, daß die Kleingärten ihre Aufgabe als zweites Zuhause im Grünen erfüllen.“

Die dritte Generation. Zum Beispiel Frau Ruhl.

„Die Lust am Garten kam, als der Garten übernommen war.“
Der KGV Enkheimer Wald besteht nunmehr seit 84 Jahren. Jetzt sitzt die zweite, besser gesagt die zwei-ein-halbste Generation mir gegenüber am Tisch. Der Vater von Frau Ruhl war 95 Jahre alt als sie den Garten von ihm übernahm.
Dieses Jahr hatte sie ihren 90-sten Geburtstag gefeiert und heute erhält sie die Urkunde für 50 Jahre Mitgliedschaft im KGV Enkheimer Wald. „Als junge Frau hatte man doch ganz andere Dinge im Kopf als Garten,“ sagt sie. „Aber dann, als sie den Garten von ihrem Vater übernommen hatte, dann war das ganz anders.“
Die Übernahme erfolgte in mehreren Schritten. Es begann damit als sie in den Garten kam um ihren Vater abzuholen. Die Hütte war auf. Seine Sachen standen herum. Von ihrem Vater keine Spur. Den ganzen Garten hatte sie abgesucht. Ihr Vater war damals immerhin 85 Jahre alt. Bei allen Nachbarn hatte sie nachgeschaut. Und dann sah sie ihren Vater. Er stand im Apfelbaum, nicht zum ernten, zum schneiden! Baumschnitt.

Kompostiert wird alles und der eigene Häcksler ist schon über 20 Jahre alt.
Jedes Fitzelchen Bio-Abfall wird von Zuhause in den Garten gebracht. Drei Komposter hat sie in ihrem Garten. „Mehr als zwei Jahre brauchen wir nicht bis der Kompost fertig ist.“
Neben den fünf Rosenstöcken liebt sie auch die Traubenhayazyinthen. Diese tauchen im Frühling ihren Garten in ein blaues Blumenmeer. Die Tulpen im Garten haben schon zu Lebzeiten ihres Vaters geblüht haben. Sie kommen immer wieder.
Kürzlich hat sie sich etwas besonderes geleistet. Sie hat ganz hellen Sand bestellt, für die Wege, als Blickfang. „Es sieht schön aus.“ sagt Frau Ruhl.

Frau Gisela Sartorius, die mobile Fachberatung.

Die mobile Fachberatung ist ein neues Angebot der Stadtgruppe Frankfurt der Kleingärtner. Diese Fachberatung wird tatkräftig vom Grünflächenamt der Stadt Frankfurt am Main unterstützt. Die mobile Fachberatung ist auch eine Antwort auf das gestiegene Interesse der Kleingärtner nach Wissen und Information. Dieses zeigt sich auch in der wachsenden Beteiligung an den angebotenen Seminaren der Stadtgruppe. Die Kleingärtner vom KGV Enkheimer Wald, wie auch andere Vereine nützen diese Möglichkeit um ganz konkrete Fragen vor Ort zu stellen. Stichwortartig will ich kurz die Spannweite der Fragen darstellen die ich während meines Besuches mit Frau Sartorius beim KGV Enkheimer Wald miterlebt habe:

– Baumefeu hat zur Folge: kein Licht, hohe Feuchtigkeit d.h. Baum stirbt ab. Abhilfe: mit Schere am Stamm abschneiden
– Zünsler. Abhilfe mit Frassgift Xentari, Dipel
– Wasserbelastung feststellen mit Wasserschnelltest (Kressetest mit Löschpapier)
– Apfelbaumgespinstmotte
– Wühlmaus und Schnecken
– Monilia-Spitzendürre an Sauerkirsche
– Rostpilz an Himbeerblättern
– Unkräuter auf Rasenflächen, Wegen und in Fugen
– Pfirsich Kräuselkrankheit
– Birnengitterrost und Wachholder
– Springkraut
– Ratten
– ph-Wert
– harter Boden (Düngen mit Stallmist, Dauerhumus)
– Rosenpflege: Frostspanner, Sternrußtau
– Kirschessigfliege
– Unterschiedliche Intelligenz von Wespen und Hornissen anhand ihres Verhaltens in einem Fruchtsaftfallenglas

Ein Fazit frei nach Loriot: früher war mehr Lametta und alles war einfacher.