KGV Fechenheim Vom Zollstockgärtner zur Bienenweide

Acker: In den 10 Morgen
Acker: In den 10 Morgen

„Du bist bei den Zollstockgärtnern?“ Früher, bei den Altvorderen, soll angeblich der Vorstand mit dem Zollstock unterwegs gewesen. Dies sei aber nur „mißlaunige Nachrede“ so Herr Scholz vom Vorstand des KGV-Fechenheim. Heute ist das nicht der Fall. Andere Zeiten benötigen andere Maßstäbe.

Anfahrt.

Letztes Jahr, im Sommer, besuchte ich den KGV-Fechenheim. Es gibt zwei Möglichkeiten um an das Haupttor zu gelangen. Jeder würde jetzt sagen, von rechts oder von links. Aber so einfach ist das nicht; denn: wenn man wie ich, im jugendlichen Überschwang mit dem Motorroller unterwegs ist, will man auch gerne mal eine Abkürzung nehmen. Und dann fährt man auf einen Trampelpfad am Rande eines Ackers entlang.
So erreicht man das Tor von links kommend. Dies ist der inoffizielle und auch der nach Abenteuer aussehende Weg (für einen Motorrollerfahrer).
Am Tor angekommen spüre ich die Anwesenheit von Tante Polly: „wenn das der Bauer sehen würde“. Unwillkürlich zieht man wie Tom Sawyer den Kopf ein, damit man nicht am Ohr gezwickt wird. Die Landschaft, der Geruch des geernteten Ackers. Ich glaube das Signalhorn eines Flussschiffes zu hören. „In den 10 Morgen“ heißt dieser Acker.
Wenn ich das richtig rechne, benötigt ein Bauer mit einem Pflug und einem Gespann zehn Vormittage bzw. fünf ganze Tage um diese Fläche zu pflügen. Anscheinend kommt daher dieser Name. In der mittäglichen Sonne erscheint die gesamte Szene geprägt von diesem Acker und den hinter den Bäumen liegenden Fluss.

Der Fluss, sein eigensinniges Verhalten.

Es ist amtlich bestätigt: die Kleingartenanlage liegt im ausgewiesenen Überschwemmungsgebiet des Mains. Die Mitglieder des KGV-Fechenheim sind leidgeprüfte und auch emotional gewappnete Menschen. Soweit mir als „Eingeplackter“ (=hauptsächlich in Frankfurt lebend, aber hier nicht geboren) bekannt, stand zweimal in der Geschichte des Vereines, 1970 und 1995, der Main, über einen Meter hoch, vor den Hütten der Kleingärtner.
Land unter.
Und anschließend den Garten aufräumen, den Boden wieder herrichten und das zu Beginn eines Jahres, wenn die Temperaturen sich eher als frostig erweisen. Da die Berufstätigen im Gegensatz zu den Rentner weniger freie Zeit haben, haben die Rentner mit ihrem tatkräftigen Einsatz wesentlich dafür Sorge getragen, dass die Anlage wieder hergestellt wurde.

Vereinsheim

Das Vereinsheim, zentral gelegen und in Eigenleistung erbaut, steht wie eine Schutzburg, wie eine Rettungsinsel gegen das Hochwasser. Gleichzeitig ist es auch alltäglicher Treffpunkt der Kleingärtner und ihrer Besucher.

Die Veranda neben dem Eingang, mit Blick auf den Christian Kirsch-Platz, lädt zum Verweilen ein. Auf dem Platz wird gearbeitet, gehäckselt und daneben ist auch der gemeinschaftliche „Werkraum“ (Düngemittelhalle?). Das Gartenwerkzeug hängt übersichtlich und gesäubert, griffbereit wie in einer Ausbildungsgärtnerei, an der Wand. Manch ein Kleingärtner kennt dies nur aus den Lehrhandbüchern der Gärtnerausbildung. Vielleicht aber auch aus der Fachberatung der Stadtgruppe.

An diesem Platz zeigt sich die wesentliche Stärke des KGV-Fechenheim. Denn die Feste die hier gefeiert werden, gehen weit über den Verein hinaus. Vom Verein, für den Verein organisiert und alle Nachbarn werden miteinbezogen.
Stichwortartig sei aufgeführt: das Oktoberfest, das Skatturnier, ein Weihnachtsfest für Kinder, ein Weihnachtsfest für Erwachsene, das sommerliche Gartenfest, ein Helferfest … all das wird abgerundet durch die Teilnahme am Fischerfest in Fechenheim. Umgerechnet aufs Jahr heißt dies, das der Verein mindestens alle zwei Monate ein Fest hat. Hinzu kommen die verschiedenen Anlagen-Versammlungen. Bei diesen vielfältigen und häufigen Veranstaltungen wird niemand ausgeschlossen.

Der KGV-Fechenheim steht damit auch für eine gut realisierte Vernetzung im Vorort (auch Offenbach wird über die MGV-Sängerfreunde – Offenbach mit einbezogen).
Für diese gelungene Einbindung wie auch herausragende Bedeutung des KGV Fechenheims in das örtliche Vereinsleben, spricht auch, dass der Heimat- und Geschichtsverein Fechenheim e.V. den Kleingärtnervereinen Fechenheims im Jahr 2015 eine eigene, gut besuchte Ausstellung widmete.

Aus den Anfängen

Gegründet wurde der KGV-Fechenheim 1920, als Fechenheim noch ein eigenständiger Ort, ein Fischerdorf war. Das Motiv damals, wie auch nach dem Zweiten Weltkrieg, war die Selbstversorgung.
An der Spitze des erstmals gewählten Vorstands stand der Schulleiter Rektor Alois Noll.
1928 Eingemeindung Fechenheims durch Frankfurt
1933 Rücktritt des gesamten Vorstandes. Im Rahmen der Gleichschaltung wurde ein Vereinsführer eingesetzt.
1945 Neuanfang
1949 In diesem Jahr wurde die größte Mitgliederzahl erreicht: 701.
In der Folge hat sich der Verein auf Fechenheim – Starkenburger Strasse konzentriert z.B. wurde die Anlage „Am Teufelsbruch“ Teil des KGV-Riederwald und „Kleeacker“ wurde selbstständig.
Unter dem Eindruck der wechselhaften Geschichte ist der Mittagsmoment in der schattigen Terrasse von einer idyllischen Harmonie geprägt. Die Mitglieder des Vorstandes sind ansprechbar, werden angesprochen und helfen selbstverständlich, ohne nachzufragen.

„Warum klemmt der Häcksler jetzt?“

Häcksler
Häcksler

Lärmmessanlage

Neben dem Festplatz stand 2014 für drei Monate eine mobile Lärmmessanlage. In diesem Jahr hat die Stadt Frankfurt die Baugenehmigung für den Bau des Terminals 3 erteilte. Die Befürchtungen über das Ausmaß hinsichtlich des Lärms der Flugzeuge, konnten durch die Messungen nicht bestätigt werden. Der KGV-Fechenheim hat seine Stärke als aktiver „Moderator“ bewiesen indem er die Mitglieder und Bürger ernst genommen und nicht alleine gelassen.

Zentrale Frage: Wie gut kann man sich im Garten erholen? Antwort: Später, nach der Arbeit.

Zollstock-Beet
Zollstock-Beet

Spaziergang

Bei dem Rundgang durch die Anlage, fallen die breiten, gut befestigten Zwischenwege ins Auge. Sie sind m.E. derart gestaltet, dass keine aufwendige Wegepflege betrieben werden muß. Gleichzeitig hat man den Eindruck, das alle Gärten Vorzeigegärten sind. Manchmal hat man das Gefühl in einer professionelle Gemüsegärtnerei zu sein. Viele Gärten sind auf biologisch orientierte Selbstversorgung ausgerichtet. Professioneller Gemüseanbau, mit natürliche Materialien gestaltete Beete und gemulchte Wege ist gepaart mit Bienenweiden.

Bienenweide
Bienenweide

Diese vorbildliche Gemüsegärtnerei, hat die Fröhlichkeit eines Lehrbetriebes oder wie bei Tom Sawyer, der durch seine vorgetäuschte Fröhlichkeit beim Anstreichen von Tante Pollys Zaun alle ansteckte und somit auch alle mitmachten.

Der einzige Schatten der diese Idylle trüben könnte sind die Garteneinbrüche. Der damit verbundene Vandalismus richtet größeren Schaden an, als letztlich entwendet wird. Heutzutage lagert kein Kleingärtner noch nicht mal Alkohol in seiner Hütte. Vielleicht war das im letzten Jahrhundert der Fall, wo manch ein Garten als Treffpunkt für den täglichen Garten-Schoppen diente.

Spielplatz

Auf dem neu hergerichteten Spielplatz, so wie es der TÜV erwartet, kommt man auf der Wippe sitzend, zum Nachdenken. Fechenheim hat sich in den letzten Jahren stark geändert. Das Arbeitsplatzumfeld hat sich gewandelt von Industrie- zum Bürojob. Casella existiert nicht mehr und auch Neckermann hat geschlossen. Die großen Arbeitgeber, die das Dorf geprägt hatten, sind fast ersatzlos weggefallen. Von vielen unbeachtet hat sich Frankfurt in diesem Bereich zu einen Internetstandort entwickelt. Ganze Rechnerfarmen sind in Fechenheim vorhanden. Aber ohne Auswirkung auf das Dorf Fechenheim? Diese Frage wird in der Zukunft beantwortbar sein. Denn derzeit ist hier irgendwie die Zeit stehengeblieben; man kommt zur Ruhe.

Wegepflege
Wegepflege

Neben dem Vereinsheim stehen Weinreben. Darin ein Schild mit folgender Aufschrift: „Vorsicht, Wein ist gespritzt“.

Fazit: KGV-Fechenheim bedeutet harmonische Idylle mit Lausbubencharme.

 

P.S. Unter ist Kleingärtner-Verein Fechenheim e.V. noch mehr zu diesem Kleingärtnerverein KGV Fechenheim e.V. zu finden.