Kapitel 5 Einfache Spalierformen

Einfachere Spalierformen
Laubengang
Laubengang
Spalier-Zierapfel
Spalier-Zierapfel

Rückblick
Das nachlassende Interesse am Spalierobstbau im 20. Jh. hatte wohl auch darin seinen Grund, dass die Spalierformen, der Mode entsprechend, immer verspielter und mit einem zu hohen Pflegeaufwand verbunden waren. Die Literatur nannte und zeichnete etwa ein Schlangenspalier mit 3 Kreisen übereinander, Kreisrunde Palmette in 3 Etagen, Zusammengesetztes Reifspalier mit geraden und kreisrunden Achsen, Spiralspalier mit 4 Schnurbäumen usw., alles Baumformen, die eine nahezu tägliche Überwachung erforderten. Das war einfach zu viel.
Nach dem 1. und 2. Weltkrieg war zunächst eine rationelle Erzeugung von Obst und Gemüse überlebenswichtiger und für „Spielereien“ mit Formobst hatte man weder Zeit noch Neigung.
Dank der Mitwirkung alter und neu gegründeter Gartenvereine in den 1970er Jahren und ihrer Fachberatungen wurde wieder frisches Interesse geweckt, woran das neu geordnete Kleingartenwesen ebenfalls einen beträchtlichen Anteil hatte. Jetzt waren die Gärten bedeutend kleiner als früher und man besann sich wieder auf die platzsparenden Anbauformen mit hochwertigem Obst. Schwachwachsende Unterlagen und neue, robustere Sorten ohne Alternanz (jährlich wechselnd hohe und geringe Ernten) machten die einfachen Spalierformen wieder interessant, auch wenn sie eines vergleichsweise höheren Pflegeaufwandes als herkömmliche Rundkronen bedurften.Verschiedene Spalierformen
Heute befürwortet man nur solche Formen, welche einfach zu erziehen sind und die dem natürlichen Wuchs keinen allzu großen Zwang antun. Die verspielten Spalierformen des 19. Jahrhunderts sehen in den Vorlagen gewiss dekorativ aus, in der Praxis erfordern sie aber fast tägliche Aufmerksamkeit und außerdem beachtliche Kenntnisse und Fertigkeiten für die korrekte Erziehung. Lässt das Interesse dafür auch nur ein Jahr nach, so verwildern solche komplizierten Formen sehr bald und sind dann kaum noch rückgängig zu machen.

Spiral-Cordon
Spiral-Cordon
Spalierformen

wurden zunächst an Mauern von Schlossparkanlagen gepflanzt, später gelangten sie aber auch in die Gärten des einfachen Volkes.

Quitte-Wandspalier
Quitte-Wandspalier
Apfel-Wand-Spalier
Apfel-Wand-Spalier
Aprikose-Wandspalier
Aprikose-Wandspalier

Im Vordergrund stand damals, dass man durch gezielten Schnitt und durch die Kultur an schützenden Mauern von wärme bedürftigen Obstarten wie Pfirsich und Birne oder von anspruchsvollen Apfelsorten auch in ungünstigeren Lagen Qualitätsfrüchte ernten konnte.

1. Der Senkrechte Schnurbaum
Senkrechte Schnurbäume
Senkrechte Schnurbäume
Senkrechter Schnurbaum
Senkrechter Schnurbaum

Früher wurde er Guirlanden-Cordon genannt.Er besteht nur aus dem Stamm und kurzem Fruchtholz des Kernobstes, das den Stamm von unten bis oben gleichmäßig garnieren soll. Er braucht in der Regel einen kräftigen Rahmen, an dem er mit Bambus- oder ummantelten Stahlstäben einen festen Halt gegen Winddruck haben kann. Schnurbäume eignen sich gleichermaßen als wegebegleitender Raumteiler, Sichtschutz und bieten gleichzeitig die Möglichkeit, mit jedem Baum eine andere Sorte zu pflanzen. Die Bäume stehen im Abstand von 70-80 cm (mitunter auch weniger), je nach sortentypischem Wachstum, bis zu 4,00 m Endhöhe am Drahtgerüst. Wegen der unterschiedlichen Blütezeiten im Hinblick auf den Pflanzenschutz sollte man aber Apfel und Birne nie gemischt pflanzen.
Nach der Pflanzung heftet man die Jungbäume gleich an Bambusstäbe oder an die mehr unauffälligen, grün ummantelten Stahlstäbe (aus dem Baumarkt), wie sie auch als Bohnenstangen verkauft werden. Sie müssen gleitsicher an dem Spanndraht in 2 m Höhe befestigt werden.
Laufende Pflege:
• Schnitt der unbelaubten Triebe kurz vor der Blüte, sofern im Vorjahr nicht pinziert wurde.
• Zu altes Quirlholz bis auf Fruchtholz in Stammnähe zurückschneiden.
• Ab Ende Mai die noch „glasigen“ Jungtriebe auf 3-5 Blätter über der Blattrosette entspitzen. •
Die Pinzierarbeit gilt für alle Spalierformen und ist immer dann an einzelnen Jungtrieben zu wieder-
holen, wenn diese etwa 25 cm lang geworden sind.

Johannisbeeren-Spindel
Johannisbeeren-Spindel
Stachelbeer-Spindel
Stachelbeer-Spindel

Abgesehen vom Kernobst lassen sich auch Johannisbeeren und Stachelbeeren als eintriebige Formen, ähnlich des Schnurbaumes, erziehen. Dies ist heute die übliche Anbauweise im Erwerbsanbau.

2. Der Waagerechte Schnurbaum
Waagerechter Schnurbaum
Waagerechter Schnurbaum

Die frühere Bezeichnung war Horizontal-Cordon.Er eignet sich sehr gut als wegebegleitende Spalierform, die auch noch eine Vorpflanzung mit niedrigen Sommerblumen oder Stauden erlaubt. Der Pflanzabstand beträgt 4-6 m, je nachdem, ob man die einarmige oder die zweiarmige Erziehungsform bevorzugt. Die Pflanzung der einjährigen (!) Veredelung erfolgt im Herbst, das Abbiegen an den 40 cm hohen Spanndraht aber erst im folgenden Frühsommer, wenn der Baum gut angewachsen und der Trieb recht saftig ist. Dazu hält man den Trieb bei 40 cm Höhe fest in der einen Hand und dreht ihn oberhalb mit der anderen Hand längs um die eigene Achse, so wie man es früher bei Steiltrieben an starkwüchsigen Bäumen machte, um das starke Wachstum zu mindern. Nun lösen sich die Holzfasern, aber sie brechen nicht mehr, wenn man den Trieb rechtwinklig an den Draht heftet.
Genau so verfährt man auch bei U-Formen und Verrier-Palmetten, um die Leittriebe in die rechtwinkelige Form zu bringen. Die Längsrisse verheilen wieder in kurzer Zeit.
Es ist zu empfehlen, dieses Verfahren vor dem „Ernstfall“ zunächst an vergleichbarem, einjährigem Schnittholz zu üben, damit nachher keine Fehler auftreten.
Durch diese Horizontalstellung des Stämmchens entwickeln sich fast alle oberen Augen schnell und gleichmäßig. Nun gilt es, durch regelmäßiges Pinzieren zu verhindern, dass einzelne Neutriebe zu stark senkrecht in die Höhe treiben, denn alle sollen sich ja gleichmäßig entwickeln. Den Leittrieb lässt man während des Jahres ungestört schräg nach oben wachsen, damit der Längenzuwachs gesichert ist. Erst im folgenden Frühjahr wird er in die Horizontale gezogen.
Waagerechte Schnurbäume müssen keineswegs ausschließlich niedrig sein. Im Elsass sind auch solche dekorativen Formen mit 1,80 m Höhe und einem kräftigen Stamm nicht selten. Dann dauert aber die Erziehung 2 Jahre länger.

Schräge-Schnurbäume
Schräge-Schnurbäume
3. Die Bouché-Thomas-Hecke

Sue wurde früher auch Schräge Doppelcordons benannt.

Schräge Doppelcordons
Schräge Doppelcordons
System-Bouchè-Thomas
System-Bouchè-Thomas

Die einjährige (notfalls auch zweijährige) Veredelung wird schräg, im Winkel von etwa 45°, im Abstand von 100 cm eingepflanzt. Dabei belässt man nur den Leittrieb und einen der Seitenäste, der wiederum im Winkel von 45° geleitet wird. Der Drahtrahmen soll mit drei Drähten 2,20 m hoch sein und mit geeigneten Stäben die spätere Wuchsform im Winkel von 90° vorzeichnen. Ist kein passendes Seitenholz am Leittrieb vorhanden, so macht man mit dem Messer eine halbmondförmige Einkerbung über einem Auge, das dadurch sicher austreibt. Leit- und Seitentrieb bleiben fast bis zur gewünschten Endhöhe ohne Rückschnitt; aber infolge der Schrägpflanzung wird meist genügend Seitenholz gebildet.

4. Die U-Form und Verrier-Palmette
Verrier-Palmette
Verrier-Palmette

Der Pflanzabstand für die U-Form beträgt etwa 1,60 m, bei der Verrier-Palmette 2 m. Der Drahtrahmen mit 4 Spanndrähten soll 3 m hoch sein und mit geeigneten Stäben die gewünschte Wuchsform vorzeichnen. Die gegenüber stehenden Etagen eines Spaliers sollen möglichst auf gleicher Höhe erzogen sein. Das rechtwinklige Abdrehen der Leittriebe kann wegen der Bruchgefahr nur bei guter Saftführung im folgenden Frühsommer erfolgen. Oft haben Baumschulen auch vorformierte Doppel-U-Formen im Angebot. Solche Spaliere sind zwar recht beeindruckend, oft auch teuer, gleichwohl müssen sie aber in der Regel nach einigen Jahren wieder verändert werden, weil der innere Platz nicht mehr für die Seitengarnierungen ausreicht.

5. Die Einfache Palmette
Einfache Palmette
Einfache Palmette

Sie ist recht einfach als Kern- und Steinobstspaliere zu erziehen, weil die Bäume in ihrer natürlichen Wuchsform mit (zunächst) einem Mitteltrieb und 2 schrägen Seitenästen bleiben.Palmette Pflanzware können 2jährige Veredelungen auf schwachwachsender Unterlage mit 2 seitlichen Ästen sein. Der Pflanzabstand ist bei etwa 3 m einzuhalten, wobei der Drahtrahmen wie bei der Verrier-Palmette angelegt sein soll. Geeignete, gleitsicher befestigte Stäbe geben auch hier die Wuchsform vor.

Doppel-Palmette
Doppel-Palmette
Palmette und waagerechte Cordons
Palmette und waagerechte Cordons

Bei einer Doppelten Palmette wird der Mitteltrieb erst dann bis auf 60 cm über der ersten Verzweigung zurückgenommen, wenn die beiden Seitenarme schon gut mit Fruchtholz besetzt sind. Nun entwickelt sich aus den beiden oberen Augen die 2. Etage, jedoch ohne Mitteltrieb, deren beide Arme wieder korrekt an Stäben zu befestigen sind. Wiederholtes Pinzieren und Binden sind wieder sommerliche Arbeiten wie bei den Kordons.
Palmetten eignen sich auch für Pflaumen, Pfirsiche und Aprikosen. Pflaumen und Pfirsiche sollten nach einigen Jahren verjüngt werden, Aprikosen vertragen jedoch keine stärkeren Eingriffe.

Zweiarmige-Palmette
Zweiarmige-Palmette
6. Die Fächerform beim Steinobst

Sie ist recht einfach in der Erziehung und eignet sich bevorzugt für Steinobst an einem festen Hintergrund. Bei der Pflanzung zweijähriger Veredelungen entfernt man sofort den Mitteltrieb, damit sich 2 Seitentriebe kräftiger entwickeln und in Schrägstellung an der Wand befestigt werden können.

Kirsche-Fächerspalier
Kirsche-Fächerspalier

Im Gegensatz zu dem Kernobst blühen und fruchten die Sauerkirschen und Pfirsiche nur an einjährigen Trieben, die nach der Ernte sofort zurück zu schneiden sind. Andernfalls entstehen dünne, hängende Zweige anstelle der erwünschten Neutriebe. Trotzdem kann ein kräftiger Verjüngungsschnitt nach etlichen Jahren für einen Neuaufbau notwendig werden.
Pfirsiche lassen sich weniger gern in abgewinkelte Formen zwängen und werden am Spalier daher freier, fächerförmig geheftet. Die jeweilige Sorte sollte nach dem Reifezeitpunkt gewählt werden, und zwar folgendermaßen: Am Wandspalier werden Früchte gleicher Sorte 2 – 3 Wochen früher reif als im Freiland, das ist zu beachten, sonst verfaulen sie womöglich während der Urlaubszeit.
Nacharbeiten beim Pfirsich sind in der Regel angebracht, auch wenn die Schnittarbeit kurz vor oder während der Blüte gewissenhaft erledigt wurde. Zunächst werden alle mangelhaft beblätterten, schwachen Triebe entfernt, denn jede Frucht braucht für eine bestmögliche Entwicklung über 20 Blätter. Sodann lassen sich jetzt besser als später die überzähligen Jungfrüchte herausschneiden, sodass sie einzeln sitzen und ein Abstand von etwa 20 cm von Frucht zu Frucht gewährleistet ist.

Johannisbeeren
Johannisbeeren
Johannisbeeren-Spindel
Johannisbeeren-Spindel

Ältere Beerensträucher, besonders Johannisbeeren und Josta lassen sich immer noch zu einem Spalier umformen. Es erfordert zwar einen höheren Aufwand durch mehrmaligen Schnitt und Anheften der Triebe, aber die Erntemenge ist infolge der besseren Belichtung höher, die Früchte sind größer, haben mehr Aroma und einen gleichmäßigen Reifeverlauf. Außerdem wird Platz gewonnen. An ein Gerüst mit 3 Spanndrähten bindet man fächerartig vier kräftige Triebe, alle anderen werden am Boden entfernt. Seitenholz beginnt erst ab 30 cm Höhe. Es wird auch in den Folgejahren kurz gehalten, damit es Kurztriebe bildet und die Früchte nahe am Gerüst bleiben. Der älteste Trieb wird nach vier Jahren herausgenommen, um einem kräftigen Jungtrieb für weitere vier Jahre Platz zu machen.

Übersicht