Kapitel 10 Einfache Vermehrungen

Baumpelzer
Baumpelzer

Einfache Vermehrung und Ausbesserungen an Spalieren

Die einfache Steckholzvermehrung beginnt nach dem Laubfall von kräftigen, einjährigen Trieben, möglichst aus der Buschmitte. Sie sollen etwa 25 cm lang sein, mit je einem Auge am oberen und unteren Ende. Gesteckt wird in leichte, feucht zu haltende Erde im Freiland so tief, dass das obere Auge die Erde gerade noch berührt. Außer Johannisbeeren (rote, schwarze, weiße) lassen sich auch Jostabeeren und verschiedene Wildfruchtarten durch Steckhölzer vermehren, darunter Japanische Scheinquitte, winterharte Feigen, Sanddorn (nur junge), Apfelrose (auch einige Edelrosen) und einige Arten der Zieräpfel. Einige Pflaumensorten lassen sich auch durch Steckholz vermehren. Sie wachsen dann meist schwächer als veredelte, stehen dann auf eigener Wurzel und damit entfallen auch zumeist die lästigen Wurzelschosse. Stachelbeeren wachsen selten aus Steckholz; sie werden üblicherweise durch Absenker vermehrt.
Großsteckhölzer von Johannisbeeren sind sehr kräftige, einjährige Triebe, möglichst aus der Buschmitte, die man nicht unterteilt, sondern in ihrer ganzen Länge etwa 25-30 cm tief in lockere Erde steckt. Sie werden im September bis November geschnitten, sofort entlaubt und gesteckt. Es wird bei feucht gehaltener Erde gut anwachsen und hat gegenüber den „kurzen“ Steckhölzern schon ein Wachstumsjahr Vorsprung. Man erzieht Großsteckhölzer gerne für eintriebige Spindeln der Johannisbeeren, ähnlich der Schnurbäume am Drahtrahmen. Die unteren Knospen soll man jedoch „blind“ schneiden, damit sich keine bodennahen Seitentriebe wieder zum Busch entwickeln können.

Absenker sind einjährige Langtriebe, die entweder im März oder ab September von der Mutterpflanze in kurzem Bogen in einen Erdspalt gesenkt, dort festgehakt und mit der Spitze wieder nach oben geleitet werden. Im folgenden Jahr ist der Trieb bewurzelt und kann verpflanzt werden. So vermehrt man mitunter auch wurzelechte Weintrauben und Kiwi, sowie Stachelbeeren. Mit dieser Methode lassen sich aber auch andere, schwer wurzelnde Gehölze unter Gartenbedingungen vermehren.

Luftableger
werden im Juni bisweilen angewendet bei schwer vermehrbaren Gehölzen, etwa bei Kiwi. Es ist eine der ältesten Vermehrungsarten überhaupt. An einem (am besten 2 jährigen), kräftigen Trieb löst man dafür zungenartig einen Span nicht ganz bis zur Mitte und klemmt in den Spalt ein Steinchen. Sodann wird feuchtes Moos oder sehr grober, nasser Torf um den Trieb und in den Spalt gebracht und mit einer schwarzen Folie an beiden Seiten luftdicht verschlossen. Jetzt nicht mehr öffnen! Nach etwa 10-12 Wochen setzt die Bewurzelung ein und die Folie wird nun zur Belüftung mit einigen Löchern versehen. Im Oktober kann der Trieb abgenommen und in lockere Erde getopft werden.

Unter einer Veredelung (alternative Schreibweise: Veredlung) versteht man die Vermehrung einer Pflanzenart oder Sorte durch Übertragung eines Pflanzenteils (Edelauge, Edelreis) auf eine geeignete Unterlage. Es gibt verschiedene Gründe, warum Pflanzen veredelt oder auch umveredelt werden, etwa die Übertragung von erwünschten Eigenschaften (Schwachwüchsigkeit) der Unterlage auf die Edelsorte. Oft ist die Veredelung aber auch nur die einfachste oder schnellste Art der Vermehrung bestimmter Pflanzen. Beim Spalierobst nutzt man auch die verschiedenen Methoden, um Kahlstellen zu bekleiden oder einen zusätzlichen Seitenarm zu gewinnen.

Bezugsquellen für Edelreiser:

  • Reiserschnittgarten Weinsberg GmbH, Comburgstr. 31/1, 74177 Untergriesheim oder
  • Gesellschaft für Anzucht und Vertrieb von Vermehrungsmaterial mbH ORG, Baumschulenweg 19-25 in 53340 Meckenheim
Chip Veredlung
Chip Veredlung

Chip-Veredelung
(Chip-Budding), eine abgewandelte und vereinfachte Art der der früheren Okulationsmethode, die auch für Ungeübte ausführbar ist. Im Gegensatz zur Okulation ist diese Veredelungsart nicht an die begrenzte Zeit gebunden, in der sich die Rinde lösen lässt, sondern eignet sich sowohl für die Vegetationsruhe, als auch für die Wachstumszeit. Schon deshalb ist sie allen anderen Veredelungsmethoden überlegen. Bei vergleichenden Versuchen in East Malling (England) zwischen der bisherigen T-Okulation und Chip-Veredelung schnitt die Chip-Methode hinsichtlich der Anwachsergebnisse und Triebentwicklung deutlich besser ab. Außerdem waren sie frostfester.

Chip Veredlung
Chip Veredlung

Bei der Chip-Veredelung wird nur ein Auge übertragen. Man schiebt es aber nicht – wie bei der T-Okulation – hinter die Rinde, sondern setzt es mit einem flachen Rindenspanstück einem beliebig starken Trieb auf. Zuvor muss aber ein entsprechender Schnitt für den Kambiumkontakt an der Unterlage angebracht werden.

Chip angewachsen
Chip angewachsen

Nach der Veredelung wird mit Baumwachs verstrichen und mit Bast, Wollfäden oder auch mit Tesa verbunden, wobei das Auge aber frei bleiben muss. Dieses Verfahren eignet sich u.a. auch zur Bekleidung kahler Spalieräste, zur Erziehung eines „Naschbaumes“ oder zur Umveredelung von Pfirsichbäumen.

 

Das Einsetzen von kurzem Fruchtholz
mit Blütenknospen durch Okulation ist möglich, wenn die Rinde im August/September gut löst. Sodann wird verbunden und gut mit Baumwachs verstrichen. Solche Edelreiser blühen und fruchten bereits im folgenden Jahr mit guten Früchten bei Apfel oder Birne. Gute Erfolge sind vor allem im Mai/Juni zu erwarten, wenn das Kambium sehr aktiv ist. Auch eine Chip-Veredelung mit kurzem Fruchtholz ist gut möglich, wenn Kahlstellen am Spalier zu bekleiden sind.
Für alle Veredelungsarten gilt: es sollte keine ausgesprochen späte auf eine früh austreibende Sorte veredelt werden, denn erst nach einigen Jahren können dort Verwachsungsfehler oder Krebsstellen erkennbar werden.

Pfropfung
Pfropfung

Verbessertes Rindenpfropfen
Diese Methode ist eben so leicht auszuführen, wie das Pfropfen hinter die Rinde, sofern sie (zur Blütezeit) gut vom Holzkörper löst. Das Edelreis sitzt jedoch fester als beim einfachen Rindenpfropfen und hat eine größere Anwachsfläche. Nach dem Kopulierschnitt wird zusätzlich an der Seite des Edelreises ein leichter Zusatzschnitt ausgeführt, der an den geschlossenen Rindenflügel passt. An der Unterlage wird nur ein Rindenflügel gelöst. Wegen des besseren Verbindens lösen Rechtshänder am besten (bei Draufsicht) immer die linke Seite. Naturbast und ein gutes Wundwachs sichern den Veredelungserfolg.

Seitliches (Einveredeln) Einspitzen
Einige Sorten neigen dazu, lange, unverzweigte Triebe und Seitenarme zu bilden. Gerade bei Spalierformen sind solche Kahlstellen unerwünscht. Dann ist das „Seitliche Einspitzen“ eine Möglichkeit, solche Partien wieder gut zu bezweigen oder einen neuen Seitenarm zu aufzubauen. Es eignen sich sowohl stärkere Äste, wie auch schwächere Zweige, um kurze Edelreiser einzusetzen. Auch hier muss sich die Rinde gut lösen lassen. Ebenso gut lässt sich die Arbeit aber auch in die Okulationszeit (August/September) verlegen, wie es ja auch bei der Stammveredelung des Beerenobstes üblich ist. Die Methode geht wie bei der Überbrückung:
Ein T-Schnitt, dessen obere Kante bei zu starker Rinde abgeschrägt wird, Reis wie bei einer Okulation einsetzen, mit kleinen Drahtstiften annageln, verbinden, verstreichen.

Wundüberbrückung: Dieses Verfahren wird oft bei großen Krebswunden angewendet. Ein passender Jungtrieb unterhalb der Wunde wird nach oben gebogen und am Stamm fixiert. Im nächsten Jahr, sobald er in Saft kommt, wird er über der Wunde mit dem Stamm vereinigt: Sein oberes Ende erhält einen Kopulierschnitt, Schnittfläche parallel zum Stamm, der Stamm erhält einen umgekehrten T-Schnitt. Das Zweigende mit dem Kopulierschnitt wird unter die beiden Lappen geschoben und verbunden und verstrichen.
Nach einer Überbrückung wird der unterbrochene Saftstrom nun vom unteren Stammteil über das einveredelte Reis (oder mehrere) in den oberen geleitet.
Wenn sich kein stammeigener Trieb unterhalb der Schadstelle als Saftbrücke verwenden lässt, dann besteht immer noch die Möglichkeit einer beidseitigen Einveredelung von einjährigen, langen Reisern. Um die Spannung des Überbrückungsreises auszunutzen, ist der Beginn an der oberen Veredelungsstelle vorteilhafter.

Vorzüge eines Sortenbaumes (Naschbaums)
Als Naschbaum, bisweilen auch Mehrsortenbaum genannt, bezeichnen wir hier einen Obstbaum mit mehreren Sorten, die gleichzeitig oder unterschiedlich reifen. Durch nachträgliches Pfropfen oder Chip-Veredelung in das Spaliergerüst sind so viele Sorten wie vorhandene Äste möglich. So gelingt, es, auf einem Apfelbaum stets kleinere Mengen unterschiedlicher Sorten zu ernten. Sinngemäß gilt das natürlich auch für Birnen.
Sehr reizvoll ist auch ein Pflaumennaschbaum. Grundlage kann eine beliebige Sorte sein, von der ein Ast, meist der Mitteltrieb stehen bleibt. Alle anderen Äste werden mit robusten Pflaumen verschiedener Farben umveredelt, z.B. Mirabelle, Reneklode, Pflaume ‘Königin Viktoria‘, Zwetschgen unterschiedlicher Reife, wie ‘Katinka‘, ‘Hanita‘, ‘Valjevka‘, ‘Elena‘, ‘Tophit‘. Theoretisch funktioniert das auch mit Pfirsichbäumen, doch diese Veredelung gelingt nur durch Okulation im Spätsommer oder Chip-Veredelung während der Wachstumszeit. In warmen Regionen kann auch beim Pfirsich ein Naschbaum mit Okulationen von rotlaubigen Sorten, Nektarinen oder Aprikosen in die jüngeren Triebe erzogen werden.
Vornehmlich für junge Familien mit Kindern bereiten Naschbäume im Garten große Freude, ohne dass dabei größere, oft nicht verwertbare Erntemengen anfallen. In Schul- und Lehrgärten lassen sich so auf engstem Raum artentypische Gesetzmäßigkeiten der Obstgewächse beispielhaft erklären und die unterschiedlichen Entwicklungsstadien von Spross, Blüte und Frucht vergleichend erläutern. Auch bei den wieder sehr beliebten Topfobstbäumen sind solche Naschbäume durchaus mit der gleichen Technik möglich. Oft bieten unredliche Versandfirmen mehrfach veredelte Pflanzen per Katalog an, die aber meist enttäuschen. Da ist es schon besser, mit einer örtlichen Baumschule über solche Wünsche zu reden – oder man macht das eben selbst. Viele Obst- und Gartenbauvereine bieten entsprechende Kurse im Rahmen ihrer Lehrveranstaltungen an, die gewöhnlich auch für Nichtmitglieder zugänglich sind. Dennoch lohnt sich eine Mitgliedschaft in solchen Vereinen.

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